Dass Väter sich mehr um ihre Kinder kümmern, wollen viele. Eine Petition für das »Doppelresidenzmodell« erhielt kürzlich über 11 000 Unterschriften. Doch der Gesetzesvorschlag der FDP hat Tücken.

Wenn sich Eltern trennen, ist das für die Kinder meist ein einschneidendes Erlebnis. Welche Form der Betreuung danach am besten für sie ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Die Umstände der Trennung, das Alter des Kindes und die Wohnsituation der Eltern beeinflussen, wie wohl oder unwohl sich die Kinder mit der neuen Situation fühlen.  Bisher wählten die meisten Getrennten das Modell, bei dem das Kind bei einem Elternteil, meist bei der Mutter, lebt und das andere Elternteil regelmäßig sieht. Heute wird das Doppelresidenz oder auch Wechselmodell, bei dem das Kind abwechselnd bei beiden Eltern wohnt, immer häufiger praktiziert. Seltener gelebt wird das Nestmodell, bei dem es die Eltern sind, die den Haushalt wechseln, während die Kinder an einem Ort bleiben. Können sich die Erziehungsberechtigten nicht einigen, entscheiden die Gerichte über den Umgang. 

Im März dieses Jahres hatte die FDP-Bundestagsfraktion einen Antrag in den Bundestag eingebracht, wonach das Wechselmodell als gesetzlicher Regelfall eingeführt werden soll. Die FDP will, dass Kinder in solch strittigen Fällen grundsätzlich bei beiden Eltern leben müssen. Das ist eine Forderung, die gerade Väterverbände schon seit geraumer Zeit vertreten. Die Regierungsparteien haben sich im Koalitionsvertrag auf die eher lapidare Forderung geeinigt: »Im Umgangs- und Unterhaltsrecht soll künftig stärker berücksichtigt werden, dass zunehmend beide Elternteile intensiv in die Erziehungsverantwortung für ihre Kinder eingebunden bleiben wollen.«

Für die FDP und das Bündnis »Doppelresidenz.org« geht das nicht weit genug. Das Bündnis reichte deshalb Ende November eine Petition mit gut 11 000 Unterschriften beim Deutschen Bundestag ein, in der sie fordern, die geteilte Betreuung von Trennungskindern als »gesetzliches Leitbild im deutschen Familienrecht« festzuhalten. Dieser Verankerung widerspricht etwa die Linkspartei in ihrem ebenfalls im März gestellten Antrag: Sie möchte die gerichtliche Anordnung des Wechselmodells gegen den Willen des Kindes vor allem im Falle von häuslicher Gewalt oder von Kindesmissbrauch gesetzlich ausschließen. Gerade bei Konflikten und mangelnder Kommunikation sei das Wechselmodell »aus Kindesperspektive regelmäßig kritisch zu betrachten«, heißt es im Antrag die Linkspartei. Und auch die Mehrkosten, die durch das Wechselmodell entstünden, müssten bedacht werden. Beispielsweise braucht ein Kind bei dieser Lebensweise zwei Kinderzimmer, eins bei jedem Elternteil. Eine Benachteiligung des ökonomisch schlechter gestellten Elternteils solle laut Antrag der Linkspartei verhindert werden.

Ein weiterer Knackpunkt des Wechselmodells ist die Unterhaltsfrage: Anders als beim Residenzmodell soll beim Wechseln nicht ein Elternteil der Hauptbetreuer und der andere der Unterhaltszahler, sondern die Eltern sollen sich die Kosten teilen. Die Praxis sieht allerdings oft anders aus. Das Wechselmodell könnte Unterhaltspflichtige animieren, sich ihrer Unterhaltspflicht zu entziehen, ohne echte Erziehungsverantwortung zu übernehmen, befürchtet Brigitte Meyer-Wehage vom Deutschen Juristinnebund: ” Das Wechselmodell bietet den Anreiz, sich der Barunterhaltspflicht vor dem Hintergrund der Betreuung des Kindes zu entziehen,” sagte sie. Der geteilte Unterhalt würde auch im Wechselmodell häufig nicht praktiziert. Darüber hinaus berücksichtigt das Rechenmodell nicht die beruflichen Nachteile eines Elternteils, die aufgrund der Kinderbetreuung vor der Trennung entstanden sind. Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom Januar 2017 sind beim Wechselmodell beide Eltern zu einer Vollzeitarbeitstätigkeit verpflichtet, da laut Gericht kein Elternteil seiner Unterhaltspflicht allein durch Pflege und Erziehung des Kindes genügen könne. Ungelöst ist dagegen   die Frage, wie das Modell bei Bezug von Sozialleistungen, besonders in der Grundsicherung, funktioniert. 

Die Politikwissenschaftlerin Lisa Yashodhara Haller, Autorin des Buches »Elternschaft im Kapitalismus«, kritisiert ein gesetzlich verordnetes Wechselmodell wegen der damit verbundenen Unterhaltsregelung: »Die Rechte von Müttern werden damit eingeschränkt, in der Hoffnung, dies möge sich positiv auf das Verhalten der Väter auswirken.« Dabei seien es meist nicht Unterhaltsverpflichtungen, die Väter davon abhielten, sich im Alltag um ihre Kinder zu kümmern, sondern die Beschäftigung mit anderen Dingen, zum Beispiel ihrer Karriere. Aus gleichstellungspolitischer Sicht sei es deshalb sinnvoller, Anreize für Väter zu schaffen, ihren Erwerbsumfang zu reduzieren, sagt Haller. 

Und auch rechtlich gibt es Zweifel am Wechselmodell. Die Vorgabe eines bestimmten Betreuungsmodells sei verfassungsrechtlich bedenklich: »Politischen Bestrebungen, das Wechselmodell als gesetzliches Leitbild zu verankern, ist deshalb eine deutliche Absage zu erteilen,« meint die Päsidentin des Deutschen Juristinnebund Maria Wersig.  Im kommenden Februar wird sich der Rechtsausschuss des Bundestages damit befassen. Dabei sollte klar sein: Ein Wechselmodell, das nicht auf Freiwilligkeit beruht, könnte mehr schaden als nützen. Sozial und ökonomisch ist es in jedem Fall mit einem Mehraufwand verbunden, deren Trägerinnen in der Regel die Mütter sind.


Julia Hoffmann

Julia Hoffmann ist Politik- und Medienwissenschaftlerin. Sie arbeitet als freie Journalistin, Moderatorin und Redakteurin zu den Themen Arbeitsmarkt, Digitalisierung und Medienwirtschaft.