Um gut mit der Pandemie umzugehen, ist sowohl fundiertes Wissen über das Virus – seine Biologie, seine Epidemiologie – gefragt, wie auch über die Kosten und Folgen von sozialer Distanzierung, Grenzschließung, Überwachung, Ausgangssperren und Schul- und Kitaschließungen. Über beides wissen wir immer mehr. Und doch, es ist noch immer relativ wenig. Wir befinden uns in einem Experimentiermodus – ob wir wollen oder nicht.
Während sich weiterhin auf allen Ebenen moralischer und politischer Druck entlädt, ist die politische und wissenschaftliche Auseinandersetzung diverser geworden. In diesem Spannungsfeld wird recht deutlich zu Tage befördert, welche Kriterien für „gutes Regieren“ bereitstehen und welche Vorstellungen von sozialer und globaler Ordnung besonders schnell zu Hand sind. Wer sich die Seuchengeschichte des 19. Jahrhunderts heranzieht, erkennt, zumindest was die zirkulierenden politischen Rationalitäten betrifft, so manches wieder.

Die Geburt der Epidemiologie als Regierungswissenschaft

Als zu Beginn der 1830er Jahre zum ersten Mal eine Cholera-Pandemie auch die Länder Westeuropas erreichte, diskutierten dort Gelehrte, Diplomaten und Regierungsmitglieder bald hitzig über die Effektivität der Quarantäne. Im ersten Anflug der Pandemie reagierten die Staaten spontan und panisch mit denselben Maßnahmen, die sie auch in den Jahrhunderten zuvor gegen die Pest angewendet hatten: Stinkender Unrat wurde von den Straßen entfernt, Grenzen und Häfen wurden geschlossen, Kranke in ihren Häusern ein- und „verseuchte“ Städte oder Stadtviertel abgesperrt.
Berichte aus Russland, wo die Cholera sich während der ersten Pandemie Ende der 1820er Jahre bereits ausgebreitet hatte, zeigten allerdings, dass Cordons Sanitaire, Grenzschließungen und Quarantäne nicht zu einer Eindämmung der Epidemie geführt hatten. Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Maßnahmen etwa in der eingeschlossenen Stadt St. Petersburg waren verheerend. Wer weiter daran glauben wollte, dass die Cholera der Pest ähnelte, stellte wie die Anhänger der Ansteckungstheorie in Preußen die These auf, die Maßnahmen seien in Russland nur nicht gut umgesetzt worden. Liberale Mediziner dagegen bestritten die Übertragbarkeit der Krankheit und kritisierten in Großbritannien die Einführung der Quarantäne durch das zentrale Board of Health, als rückständig und unwissenschaftlich. Sie zwangen schließlich die Regierung in London dazu, ihre Strategie zu ändern. Grundlage für die in der Folge eingeführten neuen Maßnahmen waren unter anderem Berichte über Umgangsweisen mit der Cholera im kolonialisierten Indien. Britische Truppenbewegungen, kriegerische Auseinandersetzungen und Flucht hatte dort vermutlich zur Entstehung und Ausbreitung der ersten Cholera Pandemie ab 1817 beigetragen. Britische Ärzte hatten dadurch aber eine frühe Möglichkeit, Erfahrungen mit der Epidemie zu dokumentieren.
Großbritannien wurde in der Folge zum Geburtsort epidemiologischer Wissenschaft, die vor allem nach dem Prinzip des „whatever works“ funktionierte. In den 1840er und 1850er Jahren sammelten lokale Boards of Health während weiterer Cholera-Pandemie-Wellen in Großbritannien umfangreiche Daten, die in der Administration in London zu buchdicken Berichten zusammengetragen wurden. Das Auftreten starker Regenfälle und gehäufte Magen-Darmerkrankungen in einem Ort wurden als Warnsignal für bevorstehende Cholera-Ausbrüche, bestimmte Bevölkerungsgruppen als besonders anfällig identifiziert. Erkrankte sollten schnell an andere Orte möglichst außerhalb der Stadt gebracht werden. In den 1860er Jahren wurde schließlich die Verunreinigung von Trinkwasser durch überlaufende und undichte Sickergruben als zentral erkannt. Sanitäre Maßnahmen wurden zum Schlüssel im Kampf gegen die Cholera schon bevor man zugeben wollte, dass es einen Mikroorganismus gab, der die Krankheit übertragen konnte. Obwohl in Großbritannien umfangreich und mit aller staatlichen Gewalt gegen die Cholera vorgegangen wurde, blieb der Handel und die Produktion insgesamt relativ unbehelligt von diesen Maßnahmen. Andere Europäische Mächte sahen den regen Schiffsverkehr mit Indien oder Ländern des Nahen Ostens als Ursache für die „Einschleppung“ der Cholera nach Europa und setzten die Britische Regierung auf den ersten multilateralen Gesundheitskonferenzen, die ab 1851 stattfanden, unter erheblichen Druck. Doch diese behielt ihren Kurs bei und argumentierte nicht, wie die anderen Vertreter mit dem noch sehr vagen medizinischen Theorien über die Verbreitungsart der Krankheit, sondern mit dem Erfolg der Strategien im eigenen Land, wo nach 1866 keine Cholera mehr ausgebrochen war. Allein diese Tatsache stärkte ihre Position gegenüber den anderen Mächten. Auch die Entdeckung des Cholera-Bakteriums durch Robert Koch 1883 führte nicht zu einer Schwächung der britischen Position in den multilateralen Verhandlungen.
Während man politische Machtinteressen und auch die Diskussionen über wissenschaftliche Theorien von den Konferenzen verbannte, ging es schließlich nur noch darum, welche Regierung sich praktisch als die beste im Umgang mit der Cholera beweisen konnte.


Die „moderne“ Regierung der Epidemien

Wer eine moderne fortschrittliche Regierung sein wollte und wer dazu noch die staatlich-administrativen Voraussetzungen mitbrachte, musste sich zu dieser Zeit einer neuen biopolitischen Regierungsrationalität unterwerfen. Während bisher historisch legitimierte Rechte an Territorien im Zentrum zwischenstaatlicher Verhandlungen und Verträge gestanden hatten, stellte die Cholera die Regierung vor ein ganz anderes Problem. Epidemien gehörten niemandem, sie scherten sich nicht um Verträge und Grenzen und schienen offensichtlich ihren eigenen Gesetzen zu folgen. Die neue Kunst der Regierung bestand nun darin, die Gesetze der Epidemie zu kennen und sie auf der Grundlage dieses Wissens so detailliert und umfassend wie nur möglich zu regulieren. Das statistische Wissen wurde zum Ausgangspunkt der Regierung der Cholera. Epidemien waren das perfekte Problem an dem sich die liberale Biopolitik entfalten und ausweiten konnte. Denn während man in vielen Staaten zunächst versuchte die eher juristischen Grenzen in reale Grenzen umzuwandeln, um das Lebendige – Migration, Schmuggler und eben auch die Epidemien – in ihrer ganzen Materialität ein- und ausgrenzen zu können, bemerkte man ebenso, dass das zu regierende gesamte Leben der Bevölkerung auch von der Durchlässigkeit der Grenzen, von sozialen Interaktion von Menschen, vom Handel und Transport von Waren und ihrer Produktion abhing. Es galt also weit mehr Wissen zu integrieren, um schließlich eine Vielzahl an sozialen und ökonomischen Kräften und notwendigen Freiheiten (auch die der Pathogene) kalkulieren und so wenig wie nötig aber – wenn nötig – auch möglichst umfassend regulieren zu können. Die zentrale Regierung in London stellte Mitte des 19. Jahrhundert fest, dass sie bei weitem nicht über alles Wissen verfügte, um allgemeine Regularien aufzustellen. Die lokalen Boards of Health wurden mit Personen bestückt, die möglichst genau Kenntnisse über die regionalen Gegebenheiten und Bevölkerung besaßen. Statt Quarantäne und strenger
Kontrollen der Schiffe bei der Ankunft an Häfen, sollten sich die Kapitäne bei der Abfahrt selbst um ein überzeugendes Zertifikat über die Hygiene an Bord kümmern. Man setzte das Wissen und die Reflexivität von Individuen zur Optimierung einer möglichst „klugen“ Regierung der Epidemie ein.


Regiert werden, sich selbst regieren… und die „Anderen“ regieren

Nicht die Fähigkeit, hart durchzugreifen, sondern die Eleganz einer durch umfassendes Wissen verfeinerten Regulation. Nicht das Beharren auf dem altbekannten Verfahren, sondern gerade die Anpassungsfähigkeit und Flexibilität ist seit dem 19. Jahrhundert das Qualitätsmerkmal moderner Regierungskunst mit Blick auf die Epidemien. Im 19. Jahrhundert war ein solches Regierungsdenken in Europa noch neu. Die Staatlichkeit der meisten Länder war kaum in der Lage so durchdringend zu regieren und auch mit Hilfe der individuellen Selbstregulation der Bürger*innen rechnen zu können. Dies zeigt sich u.a. in den Reaktionen auf die Cholera in Paris. Während man dort zunächst davon ausgegangen war, die Seuche würde die Stadt verschonen, die sich selbst als Zentrum des Europas der Aufklärung verstand, war der Schock umso größer, als die Cholera 1832 dort mit ihrer ganzen Heftigkeit ausbrach. Das selbstbewusste Bürgertum war so überzeugt davon, dass die richtige Diät und Kleidung sie vor der Cholera schützen würde, dass sie den Versuch unternahm nicht nur den Adel, sondern auch die arbeitende und arme Bevölkerung mittels Flugschriften über das richtige Präventivverhalten aufzuklären. Die Lebensrealität in diesen Bevölkerungsschichten wurde dabei allerdings nicht berücksichtigt. Die Empfehlung von Flanell-Bauchbinden, magerem Fleisch und dem Genuss eines guten Weines, selbst, der Ratschlag Behausungen gut zu belüften, dürfte als blanker Hohn verstanden worden sein – sollte man überhaupt in der Lage gewesen sein, die Schriften zu lesen. Verschwörungstheorien und Gerüchte über eine gezielte Vergiftung der armen Bevölkerung befeuerten auch zu dieser Zeit Aufstände gegen die Maßnahmen der Regierung und Ärzte_Ärztinnen. Das Scheitern dieser „Aufklärungs“-Strategie wurde von der Pariser Oberschicht im Nachhinein damit erklärt, dass gewisse mit rationalen Mitteln „unregierbare“ Teile der Bevölkerung besser aus dem engen Zentrum der Stadt in die Randbezirke verbannt werden sollte. Wer ein aufgeklärter
und gebildeter Mensch sein wollte, setzte die wissenschaftlich begründeten Verhaltensregeln natürlich freiwillig um und wer dies nicht tat, war entweder ungebildet oder hoffnungslos moralisch verkommen.

Die Regierung des Virus heute

Was wir angesichts der Corona-Pandemie erleben, führt uns vor Augen, zu was Staaten heute mit Verweis auf die „biologischen Gesetze“ des Virus in der Lage sind. Sie zeigt uns, wie umfassend nicht nur die staatlichen Techniken, sondern auch die Formen der Selbstregulierung wirksam werden. Heute erleben wir, wie bei der Regierung der Pandemie überall in Europa auf die freiwillige Beteiligung von Bürgerinnen gesetzt wird. Auch, wenn natürlich niemand den älteren oder chronisch Kranken verbieten würde, ihre Wohnung zu verlassen, wird es soziale Anerkennung wohl eher für die geben, die sich brav an die Empfehlung halten. Das über die Medien so vielfach verbreitete Bild von Frauen, die in fleißiger Heimarbeit Masken nähen und angesichts geschlossener Schulen, Kitas und Restaurants, Kinder zuhause betreuen und die Familie zuhause bekochen, stellt soziale Anerkennung für die in Aussicht, die sich dieser traditionellen „Pflichten“ und „Fähigkeiten“ ihres Geschlechts fügen. Auch sind es eher Frauen, die sich bei der Aufforderung nach Solidarität und nachbarschaftlicher Unterstützung schneller angesprochen fühlen. Die soziale Anerkennung die es für die kostenfreie Übernahmen der unter Pandemiebedingungen wieder ins Private verschobenen Sorgearbeit gibt, ist billig – genauso wie das Klatschen für die ebenfalls größtenteils weiblichen Care-Arbeiterinnen in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Menschen ereiferten sich vor allem in den ersten Wochen der Pandemie öffentlich dabei, Gesten und Signale größtmöglicher Vorsicht auszusenden. Wer den Abstand nicht einhielt oder andere Regeln des „social distancing“ nicht befolgt, erlebte – bevor polizeilich überhaupt dagegen vorgegangen werden kann – vor allem die Empörung aufmerksamer Beobachterinnen. Wer das Fehlverhalten öffentlich tadelte durfte sich besser fühlen, wer einen Fehler gemacht hatte, durfte sich schämen.
Kinder und unvernünftigen Jugendliche, die genau wie die Pariser Armen der „rationalen“ Selbstregierung und zum „social distancing“ als nicht fähig angesehen wurden, sollen am besten völlig aus der Öffentlichkeit verschwinden. Die Spielplätze wurden gesperrt und auch beim Einkauf, wurde gebeten, sollen die Kinder lieber draußen bleiben. Wer schmutzig auf die Straße tritt, oder dort lebt, steht mehr denn je unter Generalverdacht, die Hygiene und damit die geforderte Selbstregierung unter den Bedingungen der Pandemie nicht einhalten zu können. Auch medial wurde sich kräftig dieses neuen moralischen Diskurses bedient. Wochenlang fragten Sprecherinnen im öffentlich rechtlichen Fernsehen täglich: Haben es die Leute jetzt endlich verstanden?
Generell dürfte die Aufforderung, bitte zu Hause zu bleiben, nicht für alle die gleiche Zumutung bedeutet haben. So wie die Belüftung von Wohnungen in den überfüllten Arbeiter*innenvierteln im Paris des 19. Jahrhunderts kaum möglich war, ist auch heute das „Zuhause bleiben“ für große Familien oder Wohngemeinschaften in kleinen Wohnungen oder ganz allein lebende Personen etwas anderes als für die Kleinfamilien, die im Einfamilienhaus mit Garten residieren. Für den „vernünftigen“ und „erfolgreichen“ Umgang mit der Pandemie bedarf es der entsprechenden Ressourcen – das gilt für Staaten ebenso wie für Personen. Aber – surprise surprise – diese Ressourcen sind nicht gleich verteilt und werden auch angesichts der Krise leider nicht umverteilt. Dennoch oszilliert der Diskurs um den „richtigen Umgang“ mit Corona aufwändig um die Frage, wer hier eine gute Performance an den Tag legt und wer nicht.


Die Differnezierung der zu regierenden Subjekte

Wie auch in der Politik entfaltete die Corona-Handlungsethik auf der Alltagsebene eine gewisse Eigendynamik, die der Logik und Technik moderner Regierung entspricht. Bei vielem geht es um die Demonstration guter Führung. Es geht um die Zurschaustellung der guten Absichten: Handlungsfähigkeit, Opferbereitschaft, Vernunft, Rationalität, Rücksicht und sogar Kreativität. Und gerade hier werden allerlei Grenzen zwischen den „Vernünftigen“ und den „Anderen“ gezogen und befestigt. Die ohnehin schon in Deutschland weit verbreiteten rassistischen und klassizistischen Diskursen über die „unvernünftige“ Lebensweise oder „Kultur“ bestimmter Gruppen bietet hier beste Anknüpfungspunkte.
Dies zeigt sich heute etwa in der rassistischen Berichterstattung um das „verantwortungslose“ Verhalten mehrere Göttinger „Großfamilien“ bei denen sich auf einer Feier eine größere Anzahl von Personen infiziert haben soll und wegen denen nun kurzerhand mehrere Schulen in Göttingen wieder geschlossen wurden. Auch in Berliner Bezirk Neukölln, wurde ein Infektionscluster in einem Gebäudekomplex schnell mit dem Migrationshintergrund und der „Kultur“ der Bewohner_innen in Verbindung gebracht. Bei den Mitarbeiter_innen der Fleischfabrik in Nordrhein-Westfalen war der öffentliche Diskurs besonders eifrig dabei, das Verhalten der „osteuropäischen“ Arbeiter_innen des Betriebs zu beurteilen.
Die vermeintlich Unvernünftigen werden jedoch nicht nur moralisch unter Druck gesetzt. Wo immer der Verdacht aufkommt, dass Menschen den Anforderungen der angemessenen Selbstregulierung nicht gerecht werden, gelten andere Kriterien für „gutes Regieren“. Wer sich selbst nicht reguliert, darf, so sagt es auch das Infektionsschutzgesetz, gemaßregelt und sogar mit aller Gewalt seiner Freiheit völlig beraubt werden. Genau diese Differenzierungsprozeduren, nach denen Menschen ebenso wie Pathogene nach den Möglichkeiten ihrer Regierbarkeit unterschieden und zum Gegenstand völlig unterschiedlicher Regierungstechniken gemacht werden, gehören ganz und gar zur Modernen Regierung der Epidemien. Als im 19. Jahrhundert die europäischen Mächte beschlossen, die Quarantäne an ihren Häfen für ihre Schiffe abzuschaffen, um ihren Handel nicht zu schädigen, beharrten sie gleichzeitig darauf, dass dies nicht für Staaten wie Ägypten, das Osmanische Reich gelten könne. Auf der Internationalen Gesundheitskonferenz 1866 beschlossen die europäischen Herrscher, es sei legitim den „unregierbaren“ muslimischen Pilgern, sollte die Cholera in Mekka ausbrechen, die Rückreise über das Mittelmeer ganz zu verbieten, um eine Einschleppung der Krankheit nach Europa zu verhindern. Selbst wenn dies bedeutete, dass viele auf dem Landweg durch die Wüste verhungern oder verdursten würden. Der Seitenblick auf die globale Gesundheitspolitik lässt schnell erkennen, dass auch heute die Sicherung des globalen Nordens Vorrang vor einer soliden medizinischen Versorgung und Schutz vor Infektionen für alle gegeben wird.


Mit oder ohne wissenschaftliche Evidenz

Die Produktionsorte anspruchsvoller medizinischer Evidenz, die eine Vielzahl von erforderlichen Daten in der kürze der Zeit kaum noch erheben, geschweige denn verarbeitet könne, hinken der Geschwindigkeit dieser diskursiven Dynamikgen und dem politischen Willen der Regierenden hinterher. In der Folge ist die wissenschaftliche Beweiskraft, die Evidenz, über die Effektivität vieler Maßnahmen und Verhaltensweisen nicht vorhanden oder nur schwach, wie zu Beginn der Maßnahmen im März das Deutsche Netzwerk für Evidenzbasierte Medizin kritisierte. Auch die European Centers for Disease Control and Prevention (ECDC) gaben in ihrer Empfehlung für „social distancing“ den deutlichen Hinweis, dass es trotz begründeter Annahmen bisher keinen wissenschaftlichen Nachweis über die Wirksamkeit dieser Maßnahmen hinsichtlich der gesamten Auswirkungen auf unsere Gesellschaft gebe. In den kommenden Monaten werden Strategien auf der Grundlage von mehr Wissen und neuen Studien auf allen Ebenen einem weiteren Feintuning unterzogen und verändert werden. Bald wird auch unsere Beteiligung an der Regierung – die Umsetzung der hier wirkenden Rationalitäten (unsere Vernunft) – noch mehr gefragt sein, z.B. bei der Bedienung nun veröffentlichten Corona-App.
Die schnelle und durchschlagende Handlungsfähigkeit von Regierungen und auch die funktionierenden Mechanismen der Selbstregulierung in der Bevölkerung sind vielleicht ein Vorteil gegenüber der Pandemie – im ersten Moment. Auf lange Sicht gilt es den Dynamikgen dieser Diskurse kritisch auf die Finger zu schauen. Denn vieles beruht hier keineswegs auf wissenschaftlicher Evidenz. Andernfalls laufen wir Gefahr, die Pandemie als Entschuldigung dafür zu akzeptieren, dass Strukturen und Vorstellungen noch mehr Raum gewinnen, die es eigentlich längst zu überwinden gilt.

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