In Berliner Kitas soll schon in weniger als zwei Wochen der Regelbetrieb wieder aufgenommen werden. Dieser Schritt kommt für Familien zu spät und wirkt zugleich überstürzt, unterfinanziert und planlos. Die Corona-Pandemie verschärft die ohnehin virulente Kita-Krise. Die Leidtragenden der Situation sind überwiegend Mütter. Ihre Benachteiligung im Beruf und auf dem Arbeitsmarkt hat sich noch verstärkt.

Seit fast drei Monaten – seit dem 16. März – waren Berliner Kitas im Notbetrieb. Kitas wurden von der Politik allein gelassen. Seit der schrittweisen Öffnung der Einrichtungen für mehr Kinder sahen sich Mitarbeiter*innen und Kitaleitungen mit schier unlösbaren Aufgaben konfrontiert: An Corona angepasste Hygienepläne für Kitas wurden in vielen Bundesländern erst Mitte Mai herausgegeben. Die Zusatzbelastung durch Hygienebestimmungen trifft auf eine verschärfte Personalknappheit, denn Betreuungspersonen, die zur Risikogruppe gehören, fallen nach wie vor aus. 

Die Vorgaben des Senats wurden je nach Einrichtung unterschiedlich ausgelegt. Ein Kitaplatz blieb so für die Eltern eine Frage des Verhandlungsgeschicks. Besonders benachteiligt waren hier Eltern, deren Verhandlungsposition aufgrund von Sprachbarrieren schwächer ist und die nicht auf andere soziale Unterstützungsstrukturen zurückgreifen konnten. Die Kriterien, nach denen Kitas die Bedarfe abwägen mussten, waren intransparent. Die Öffnung ab dem 22. Juni ist nun vor allem für die Eltern von sehr kleinen Kindern kaum ein Lichtblick, denn so kurz vor den Sommerschließzeiten lohnt sich eine nach drei Monaten erforderliche erneute Eingewöhnung der Kinder kaum.

Die private Betreuung der Kinder hat zu einer erheblichen Mehr- und Doppelbelastung von Eltern geführt. Die zusätzlich anfallende Sorgearbeit wurde, wie die Mannheimer Corona-Studie zeigt, zu gut zwei Drittel von Müttern geleistet. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung prognostiziert, dass Frauen in der Folge langfristig stärker von Lohneinbußen betroffen sein werden. Die Benachteiligung von Frauen im Beruf und auf dem Arbeitsmarkt hat sich durch die Corona-Krise verstärkt.

Irene Poczka, Politikwissenschaftlerin und zeitgeschichtliche Medizinhistorikerin gibt zu bedenken:

“Das “Corona-Schutzschild” der Bundesregierung zielt auf die Wirtschaft und vergisst Eltern und Kinder. Eine durch den Bund finanzierte Initiative zur Unterstützung der Kitas wäre allerdings wünschenswert gewesen, um die Probleme der Eltern nachhaltig zu lösen. So hätte weit schneller zu einer Betreuung aller Kinder in kleinen stabilen Gruppen übergegangen werden können, ohne Mitarbeiter*innen und Kinder einer zu großen Infektionsgefahr auszusetzen. Erzieher*innen und Eltern wären entlastet und Kinder schneller wieder aus der familiären black box herausgekommen. Angebote zur Finanzierung und Hilfe bei der Beschaffung von Ausweichräumen und von ausreichendem Personal hat es bis heute jedoch in keiner Weise gegeben.” 

 
Die Kita-Krise hat sich durch die Corona-Pandemie nur verschärft, ausgelöst wurde sie schon lange vorher. Um die Situation mittel- und langfristig zu verbessern, muss der Senat die Kinderbetreuung vor allem finanziell wesentlich besser ausstatten. Viele Eltern und Kitas fürchten außerdem bereits neue Probleme ab Herbst, sollte eine zweite Welle der Pandemie eine erneute Schließung der Kitas nach sich ziehen. Dafür müssen jetzt Pläne entwickelt werden, die langfristige Planungssicherheit schaffen. 


Kontakt: Verena Letsch,